Schluss mit PISA – Deutscher Lehrerverband kritisiert die Äußerungen von Andreas Schleicher

  • Unwissenschaftliche Schlussfolgerungen eines vermeintlichen Experten
  • Wie eine wissenschaftliche Studie entwissenschaftlicht wird

Der Deutsche Lehrerverband kritisiert die jüngsten Aussagen von PISA-Koordinator Andreas Schleicher im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten als unwissenschaftlich. Schleicher ziehe aus der jüngsten PISA-Studie Schlussfolgerungen, die wissenschaftlich von der Studie nicht getragen werden. Nach Ansicht des Verbandes zeugen sie in Teilen sogar von Naivität.

Schleicher ist der Meinung, dass die Lehrkräfte Schuld am schlechten Ergebnis der deutschen 15-jährigen bei PISA 2022 tragen. Die Studienergebnisse waren im Dezember 2023 veröffentlicht worden. Laut Schleicher seien die Lehrkräfte noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen und würden sehr gut für eine intellektuell wenig anspruchsvolle Arbeit bezahlt.

Was Schleicher dabei völlig übersieht, ist das Engagement der meisten Lehrkräfte. Neben Unterricht und dessen Vor- und Nachbereitung investieren sie viel Zeit und Energie in Kommunikation mit Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern, in Fortbildungen, in das eigenständige Erschließen neuer Entwicklungen in ihrem Fach, in das Erlernen und Anwenden neuer Unterrichtstechniken und Medienformen.

Als Vorbild führt Schleicher das chinesische Schulsystem an, was ironisch scheint, weil das moderne China unter Xi Jinping wohl eher nicht als Hort von Freiheit, selbständigem Denken und Emanzipation gelten kann.

Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, fragt sich angesichts der Äußerungen Schleichers: „Wenn man den PISA-Macher nicht mehr ernstnehmen kann, kann man dann noch PISA ernstnehmen? Wenn der Wissenschaftler unwissenschaftlich schlussfolgert, wie wurde dann die Studie angelegt? Kann die KMK ihren Ergebnissen wirklich noch vertrauen? Dürfen dafür wirklich Steuergelder verwendet werden? Letztlich lenkt Schleicher mit seiner Lehrkräftekritik von den eigentlichen Herausforderungen ab, um seine persönlichen Überzeugungen ohne wissenschaftliche Grundlage zu transportieren.“

Der Deutsche Lehrerverband fordert die deutsche Bildungspolitik auf, sich den eigentlichen Herausforderungen zu stellen:

  • Behebung des Lehrkräftemangels an den weiterführenden Schulen
  • Einstellung von Lehrkräften über den Grundbedarf hinaus für flexible Reaktion an den Schulen auf zusätzlichen Förderbedarf oder Vertretungsbedarf wegen Abwesenheit von Kolleginnen und Kollegen durch Fahrten, Krankheit, Mutterschutz, Fortbildung etc.
  • Verpflichtende Sprachstandserhebungen in den Kindertagesstätten verbunden mit gezielten Fördermaßnahmen sowie weitere Lösungen für die Sprachvermittlung im Hinblick auf den wachsenden Anteil an Lernenden ohne deutsche Muttersprache und ohne Beherrschung des Deutschen als Bildungssprache.
  • Überprüfung der Änderungen in Pädagogik, Methodik und Didaktik (Kompetenzorientierung, selbstgesteuertes Lernen, Absage an das Leistungsprinzip, Gründung neuer Gesamt- und Gemeinschaftsschulen) auf ihre Wirksamkeit angesichts der Parallelität ihrer Implementierung und dem sich steigernden Leistungsabfall in den PISA-Studien.

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Für Stellungnahmen erreichen Sie DL-Präsident Stefan Düll über presse@lehrerverband.de bzw. über 0151-10926848.

Für den Inhalt verantwortlich: Geschäftsstelle Deutscher Lehrerverband – Anne Schirrmacher